Sonntag, 30. August 2015

Platin Alpenbrevet 2015


Ein fast perfekter Tag.
Fast perfektes Wetter. Fast perfektes Pacing. Kein Herzkasper. Keine Krämpfe.
An sich gibt es garnicht viel zu Erzählen.
Die auf dem Vorbau montierte Marschtabelle ist von den Erfahrungen mit den Wetterkapriolen und dem Fastabbruch von letztem Jahr geprägt. Defensiv. Ich will in die zweite Hälfte mit Reserven gehen.
Zwei Neuerungen im Setup sind weitere Unsicherheiten.
Würde der neue R-Sys Laufradsatz halten? Er fühlte sich recht weich an. Aber der Luftdruck stimmte. Erst am Vortrag von Thomas übernommen war eine echte Erprobung nicht möglich. Ausserdem quietschen die neuen Mavic Bremsgummis erbärmlich laut. Aber sowieso: wer bremst verliert.
Und vor Allem, werde ich die Umstellung auf Eigenversorgung mit Sponsor Competition vertragen? Ich hatte 10 60g Beutel plus 8 Sponser High Energy im Gepäck und werde unterwegs nur Wasser dazu fassen. Immerhin hatte ich das in Magstadt über 8h schon erprobt. Schaumermal.
Als Streber beim Einzelstart angestellt geht es um 6:03 los. Schon mal 3min Vorsprung auf die Marschtabelle. Mühsam ernährt sich das Einhörnchen ...
Bei angenehmen Temperaturen um 15Grad geht es über die Aareschlucht als Aufwärmhügel in den Grimsel.
Am Anfang des Grimsels
Das Lampenfieber weicht der Freude. Gutes Körpergefühl. Mühelos geht es wattgesteuert aufwärts. Ab dem Räterichsbodensee hänge ich die Marschtabelle ab.
oberhalb Räterichsbodensee
Das Loch wegen der dünnen Luft bleibt aus und mit 5min Vorspung geht es nach 2:20min an der Verpflegung vorbei. Ich muss nicht stoppen. Ich bin ja Selbstversorger und habe unten in Oberwald bei meiner Gold-Trainingsrunde einen Brunnen fürs Auffüllen ausspioniert. Nichtmal die Windjacke für die Abfahrt muss ich anziehen. 10Grad oben und in Gletsch schon wieder 14Grad. Schön warm. Später wird es dann noch unschön warm werden.
Die Abfahrt wird vom Misstrauen gegenüber dem LRS und dem Gequietsche der Bremsgummis verlangsamt. Nach dem Auffüllstopp in Oberwald sind es nur noch 1min Vorsprung auf die virtuellen Gegner. Aber wendigstens sind die Gummis nun eingefahren und verstummt.
Kurz vor Ullrichen überholt mich Thomas. Kurze Begrüssung und er muss seiner Gruppe hinterher. Der hat die 45min Rückstand vom Massenstart schon aufgeholt. Eine andere Liga. Alters- und vorallem leistungsmässig.
Der Nufenen läuft gut. Bei Altstafel nach 3:34h 5min Vorsprung und oben auf dem Pass 4:11h und 8min Vorsprung. Sogar schneller als letztes Jahr als ich zu schnell anging. Überpace ich wieder? Vorsicht!!
Zum erstenmal stoppe ich an der Versorgungsstellen und fülle Wasser nach. Je einen Beutel Sponser Competition in die Trinkflaschen, schütteln, fertig. Das Zeugs ist super. Sehr geschmacksneutral und nicht so eklig süss. Man merkt garnicht wieviel das drin steckt. Insgesamt werde ich nur 3 Riegel zusätzlich essen. Und das mehr aus Gewohnheit und und um Standpausen auszunützen.
Mit Fullspeed geht es runter nach Airolo. An das etwas weichere Fahrgefühl des LRS habe ich mich gewöhnt. Trotz Gegenwind und ohne Gruppe liegen 4:43 in Airolo an. Die Entscheidung für Platin ist Formsache. Au weiha, nicht schon wieder. Mit fliegenden Fahnen geht in Richtung Biasca den Stunden des Leidens entgegen.
Dort unten ist es affig heiss, Über 30Grad. Mit vollen Trinkflaschen geht es nach 5:39 mit 6min Vorsprung in Richtung Lukmamier. Aber 60g Pulver pro Flasche sind bei dieser Hitze zu viel. Je mehr ich trinke je mehr Durst bekomme ich. Ich habe mein erstes Loch des Tages. Die Hitze und der Durst machen mich ätzend langsam. Nach einer Stunde finde ich endlich einen Wasserhahn. Mit der 2. Trinkflasche verdünne ich um den Faktor 2. Das ist viel besser. Den Fehler im Stand eine halbe Flasche auf Ex runterzustürzen und einen Herzkasper für den Rest der Strecke zu provozieren mache ich nicht. Trinken nur während der Fahrt und in kleinen Schlucken. So mache ich das auch. Langsam hole ich das Flüssigkeitsdefizit auf. Aber in Olivone habe ich 3min Rückstand. So schnell geht das. Also nochmal Wasser auftanken und den Schaden in Grenzen halten. Bis zum Lukmanierpass stoppe ich noch zweimal mit einigen anderen Überhitzten an Brunnen fülle die Flaschen mit Wasser pur und halte den Kopfe unter den herrlich kalten Wassstrahl und kippe mir das Wasser trin. Einer steht mitsamt den Schuhen ins Wasser. Nur Reinliegen tut niemand. Schliesslich verlasse ich den Verpflegungsposten am Lukmanier Hospiz wieder mit Sponser Trinkflaschen in voller Konzentration und 5min Rückstand. Aber mit Rückenwind in Richtung Disentis sollte doch was drin liegen.
So ist es auch. Ohne Gruppe gibt es zwar keine Spitzengeschwindigkeiten, aber in Disentis habe ich wieder 3min Vorsprung.
Es ist wieder sehr heiss. Und in Richtung Oberalp hat es es starken Gegenwind. Der Oberalp. Das war schon letztes mal die Bitch die mich fast gekillt hat. Ich kämpfe mich den flachen ersten Teil des Oberalps nach Sedrun. Flaschen verdünnen und Kopf unter den Wasserstrahl eines hochwillkommenen Brunnens. Inzwischen Routine. Weiter gegen den Wind bis Tschamutt.
gegen den Wind vor Tschamutt den Oberalp hoch
Der Vorsprung ist wieder weg. Nochmal Luft holen, einen Riegel vernichten und einen Baum wässern. Dann geht es in den steilen Schlussteil des Oberalp. Der Rechtsknick des Strassenverlaufs in die Serpentinen, der einen letztes Jahr in den eisigen Nordwind stellte, brachte diesmal Erleichterung. Bei neutralen Windverhältnissen ging es in die relative Kühle des Oberalp. Trotzdem hatte ich oben schon wieder 3min Rückstand. Die erste richtig lange Pause und ein Becher Cola, den ich sehr vorsichtig und langsam wie heissen Kaffee trank (Stichwort Herzkasper), taten mir gut.
Mit Rückenwind und in der Wärme runter nach Andermatt. Herrlich. Letztes Jahr habe ich mich da noch im Nebel runtergefroren. Der Genussteil der Runde beginnt. Nur noch der Susten. The never ending Susten. Alles, bloss keine Krämpfe.
Durch die Verpflegungsstelle Andermatt geht es ohne Stopp in die Goschenenschlucht. Stau, Vorbeischleichen an Autoschlangen, verschaltet und Kette runter. Der übliche Stress im Baustellenchaos. Ab dem Kreisel Ende Gotthardtunnel ist der Autospuk dann vorbei und ich rolle entspannt und grinsend runter nach Wassen.
Ouverture des Finales - Am Einstieg in den Susten
Nach einem kurzen Stopp ab in den Susten. Genau im Zeitplan und ohne die Kontrollzeit im Nacken, einfach nur geil. Dank sehr verhaltener Fahrweise habe ich keinerlei Probleme mit Krampfgefühlen. In der Mitte mache ich Pause und esse meinen dritten Riegel. Obwohl natürlich ziemlich fertig bin, ist es ohne Zeitdruck richtig locker. Gemütlich an der Tvaellen-Gedächtnis-Hütte Wasser fassen. Ab da fahre ich mit einem Hamburger und wir geben bis zum Gipfeltunnel nochmal etwas Stoff. Der ist richtig euphorisch und zählt die restlichen 400hm lautstark runter. Ansteckend.
Geschafft - Gipfeltunnel Susten
Im Sprint durch den Tunnel. Es ist geschafft. Passfoto, Klamotten an und im Sturzflug runter nach Innertkirchen. Mehr als einmal denke ich an die Horrorfahrt im Starkregen letztes Jahr. Jetzt macht es nur noch Spass.

Die Aareschlucht zu dritt in Toplaune hochgedrückt und ab ins Ziel. Yeah. It's only rock'n roll.
An sich fehlt mir der 6. Pass. Da geht noch was ... Schaumermal.