Sonntag, 29. Juni 2014

Swiss Cycling Marathon, 600km Brevet, Ittigen


So, das wars. Der Höhe- und Schlusspunkt meiner ersten Randonneur-Saison. Gut 35h unterwegs. Davon 24h im Sattel. Nächstes Jahr schauen wir ob noch mehr geht.

Was soll man über so eine Runde berichten? Der Zusatzlader für das Edge, der einen Wackelkontakt hatte und damit das Edge mehrfach zum Abschalten brachte - nervig. Das Gepäck, das wegen eines Kommunikationsfehlers der Hotelreception nur für einen kleinen Teil der Teilnehmer beim Schlafplatz in Mels ankam - nervig. Die Wetterglück. Die netten Leute die man auf und an der Strecke kennengelernt und wiedergesehen hat. Die perfekte Organisation. Tausenderlei und doch nichts.

Das wirklich wichtige spielt sich im Kopf ab. 35h in einer kleinen, ganz persönlichen Welt. Fokussiert und reduziert. Die Fahrt alleine habe ich diesmal gesucht. Irgendwie hat man da seine Ruhe bzw. findet sie. Auch wenn der Windschatten fehlt. Diese innere Ruhe, trotz der Anstrengung und den zeitweisen Schmerzen. Das ist das Eigentliche, die Essenz.

Das Brevet selbst lief praktisch optimal.
Das Wetter ist perfekt. Lediglich für Samstagnachmittag ist Regen angesagt. Kaum Wind.
Von Ittigen bei Bern geht es am Freitagmorgen um 5:00 los. Die ersten kühlen 56 Kilometer bis zum Kontrollpunkt 1 in Langenbruck am Fuss des Jurapässchens Belchen waren gut zum Einrollen und mit den ersten 300hm war man schön warm und entgültig im Brevet angekommen. Der Belchen ist von der Südseite eine eklige Rampe. Schön ruhig. Es geht noch ein Stück.
Dann runter zum Rhein und flussaufwärts bis Koblenz. Zweiter CP bei km127. An jedem CP wird man mit Essen und Trinken vorbildlich versorgt. Nette Standbesatzungen. Elektronisches Badgen, Man kann in Ruhe auf den Topf. Brevet à la Suisse. Teuer und luxuriös. Nicht so einsame Stromhäuschen ohne Alles.
Kurz darauf geht es rüber in den grossen Kanton. Das schöne, aber endlose Steinatal hoch bis Bonndorf. Nächster CP in Ewattingen bei km 180. Grosser Bahnhof. Festzelt, Spaghetti, kalte Getränke, dick belegte Brötchen. Erste längere Pause nach gut 8h. Strahlender Sonnenschein. Noch tut nichts weh und es läuft gut. Aber es ist ja noch nicht mal ein Drittel geschafft. Scheisse. Aber fast die Hälfte bis zur Schlafpause. Das klingt schon besser. Immer schön häppchenweise die Sache angehen.
Dann knapp 60km wieder zurück in die Schweiz. Nächsten Kontrolle in Ramsen. Auf dem Weg dorthin habe ich mich das erste mal bei jemand angeschlossen. Ein Päarchen das garkeines war. Sie, eine Innerschweizerin, war gemäss Nummer auf der 900er Runde. Heiliger Strohsack. Er, Gilles auf der 600er oder 700er Runde. Ich denke: Warum hängt der immer hinten drin und führt nie. Aber nach seiner Erläuterung in Ramsen war alles klar. Wette, Bierlaune, 1200km in den Beinen. An sich ein Fall für den Besenwagen. Aber Ex-Zweitliga-Basketballer und zäh wie Leder. Wir haben uns darauf abgesprochen bis Kreuzlingen zum ausserordentlichen Stopp beim McDonalds gemeinsam zu fahren. Es ist klar, dass er nicht führt. Aber das erwarte ich auch nicht.
Die 30km bis zum Mac werden erstmals zäh. Aber dort gibt es 3 Hamburger und zwei grosse Cola für mich. Genau was ich brauche. Noch kurz 20km bis zum Kontrollpunkt in Frasnacht am Südufer des Bodensees. Nochmal Cola nachkippen, Riegel, belegte Brote. Noch 80km bis zum Bett.
Die wird richtig hart. Ab 9 fahren wir mit Licht. Wir machen noch 2 Zwischenstopps. Kurz vor Mels beginnt es zu regnen, aber wir schaffen es ohne Regenkleidung bis zur Schlafstelle in der Zivilschutzanlage.
Dann das Highlight des Tages. Die Reisetasche fehlt. Von vielen anderen auch. Nach kurzem Geschimpfe wird auf Notbetrieb umgestellt. Man kann es eh nicht ändern. Also kein Duschen, keine Wechselklamotten, kein Schlafsack. Dafür lecker Spaghetti und alle möglichen Getränke. Und man sitzt warm und trocken. Draussen regnet es inzwischen Bindfäden. Um 12 stelle ich den Handywecker auf 4 und lege mich mit 2 Militärdecken ind die Militärhochbetten. Ich als Kriegsdienstverweigerer. Egal.
Um 4 stehe ich "erfrischt" auf. Katzenwäsche und reichlich Kaffee und Frühstück. Dann geht es um kurz vor 5 weiter. Alleine, da Gilles länger schlafen wollte. Er war wirklich kaputt.
Noch 220km liegen vor mir. 11h. Lächerlich. He, nicht übermütig werden. Das Ziehen in den Beinen würgt die Euphorie nach wenigen Kilometer wieder ab. Und da kommt auch schon der Kerenzer Berg mit seinen 300hm. OK, der geht. Oben sind die restlichen 190km definitiv nicht mehr lächerlich. Aber runter in die Linthebene und bis Pfäffikon zum Kontrollpunkt rollt es ganz erträglich.
Zwei Becher Bouillon und zwei Wurstwecken später geht es weiter. Hoch nach Schindellegi und rüber nach Zug. Schindellegi? Da war doch was. 500hm, die letzten 2km mörderisch steil. Und das mit 420km in den Beinen. Und es wird mörderisch. Oben muss ich erst mal stoppen und ein Cola aus dem Rucksack nachkippen. Heiliger Strohsack.
Ziemlich wackelig geht es weiter. Zum Glück im Wesentlichen bergab. Und um den Zugersee rum flach. Die letzten paar Kilometer von Rotkreuz gegen den Wind nach Emmenbrücke sind dann richtig richtig zäh.
Noch  50+35km. 4h.
Aber erst mal Pause. Essen, Trinken, Bouillon. Gerade als ich weiter will kommt Gilles mit einer Gruppe an. Er hat sich gut erholt und seine Gruppe hilft.
Ich fahre erst mal alleine weiter.
Das Auf und Ab, gefühlt an sich immer "Auf", bis Affoltern sind reine Kopfsache. Immer schön weitertreten. Bergauf runterschalten, bergab hoch. Langsam aber sicher.
Nur der immerwieder beginnende Regen nervt. Soll man nun Regenklamotten anziehen oder nicht? Bis auf einmal bleibe ich standhaft. Und da kommt noch während der Umkleideaktion die Sonne durch. Also Kommando zurück und weiter. 3min später tröpfelt es wieder.
In Affoltern im Emmental gibt es als Ergänzungskraftnahrung ... Emmentaler. Was sonst.
Und wieder kommt Gilles als ich weiterfahre. Nach 400m zurück, Trinkflaschen vergessen. Irgendwie bin ich etwas zerstreut.
Endspurt, 10km bergab und dann flach weiter. Gilles holt mich ein. Sie sind nur noch zu zweit. Nach ein paar Kilometer im Windschatten beginnt der Energydrink, den ich für die letzten Kilometer runtergewürgt habe zu wirken. Ich kann auch wieder führen. Zum Schluss kommen noch ein paar Rampen. Die kenne ich vom 400er schon. Eklig. Aber der lange letzte Anstieg in Ittigen selbst geht adrenalinbefeuert wie von selbst. Kurz rüber zur Rasttätte Grauholz. Wir rollen zu dritt durchs Ziel.

Geschafft.

Händeschütteln, Schulterklopfen. Einer fängt vom PBP nächstes Jahr an. Ich sage nichts. Das muss ich mir noch gut überlegen.

Erst mal die Trophy und das Alpenbrevet finishen. Das sind ganz andere Rennen. Höhenmeterschlachten gegen den Kontrollschluss.






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